© Heike
Berse / PIXELIO
Jedes Kind scheint problemlos sprechen
zu lernen und doch finden wir immer wieder Kinder, denen das nicht so gut
gelingt. Forschungsergebnisse sprechen von 15 bis 25 % der Kinder, die im
Bereich der Sprache Schwierigkeiten haben. Einige dieser Verzögerungen können
durch rechtzeitige Förderung im Alltag aufgefangen werden. Andere gehören in die
Hand von Fachleuten. Je früher eine Förderung beginnt, umso günstiger ist die
Prognose. Eltern können im Alltag viel für die Unterstützung des Spracherwerbs
ihrer Kinder tun.
Wann spricht man von einer verzögerten
Sprachentwicklung?
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob
Ihr Kind die Sprache entwicklungsgerecht erwirbt, dann sollten Sie sich zunächst
mit der Erzieherin oder dem Erzieher im Kindergarten unterhalten, diese haben
den Vergleich zu gleichaltrigen Kindern. Ob tatsächlich eine
Sprachentwicklungsverzögerung oder -störung vorliegt, kann nur eine Fachperson
(Sprachtherapeutin/Logopädin) genau feststellen. Diese Verzögerungen oder
Störungen können sich auf die Aussprache, den Wortschatz und die Wortverwendung,
auf die Grammatik der Sprache oder auch die gesamte Kommunikation beziehen.
Sie als Eltern oder auch die
Erzieherin sollten auf folgende Merkmale eines normalen Spracherwerbs
achten.
Phasen der Sprachentwicklung bei
Kindern
0
- 3 Monate Schreiphase
Das Kind wendet sich der Sprache zu
und reagiert auf Ansprache. Es drückt seine Bedürfnisse durch unterschiedliche
Formen von Schreien aus.
Mögliche Auffälligkeiten:
Das Kind
vermeidet Blickkontakt. Es wendet sich nicht dem Sprecher zu. Es scheint
unaufmerksam für Sprache zu sein.
So können Sie Ihr Kind
unterstützen:
Geben Sie Ihrem Kind Zuwendung, singen und sprechen Sie mit
ihm. Führen Sie dabei auch rhythmische Bewegungen mit ihm aus (z. B. singen und
dabei hin und her wiegen).
Ab
3. Monat 1. Lallphase
Das Kind hat Freude am Hervorbringen
unterschiedlichster Lautkombinationen und Laute.
Mögliche
Auffälligkeiten:
Das Kind lallt nicht (kommt sehr selten vor). Keine
Drehung des Kopfes zur Geräuschquelle, keine Zuwendung zu sprechenden
Menschen.
So können Sie Ihr Kind unterstützen:
Reagieren Sie
auf Äußerungen des Kindes mit Zuwendung. Animieren Sie die Kinder zu Äußerungen
und zeigen Sie Freude darüber. Singen Sie viel mit dem Kind bzw. für das
Kind.
6.
bis 12. Monat, 2. Lallphase
Das Kind produziert jetzt Laute, die
der Muttersprache (den Sprachen der Eltern) ähnlich sind, es führt Lallmonologe
und Lalldialoge (Selbst- und Fremdnachahmung, Einüben von Bewegungsmustern). Das
Sprachverständnis beginnt sich zu entwickeln (reagiert auf seinen Namen, Verbote
u. ä.).
Mögliche Auffälligkeiten:
Das Kind hört auf zu lallen –
Hinweis auf eine mögliche Hörstörung.
Das Kind nimmt Anregungen nicht auf und
führt keine "Lalldialoge".
So können Sie Ihr Kind
unterstützen:
Bei Verdacht auf eine Hörstörung sollte eine Überprüfung
beim HNO-Arzt erfolgen.
Singen Sie und spielen Sie Fingerspiele, Kniereiter
und ähnliches mit dem Kind.
12.
-18. Monat, Erste Wörter
Meilenstein: 50-Wort-Grenze
Die
Wörter sind zum Teil "Babywörter".
Mögliche
Auffälligkeiten:
Spricht das Kind mit 24 Monaten noch keine 50 Wörter, so
kann das ein Hinweis auf eine Sprachentwicklungsverzögerung sein.
So
können Sie Ihr Kind unterstützen:
Benennen von Dingen, Anregung des
Kindes, Dinge zu benennen (Was ist das?) Überprüfung durch Fachleute (mit 2
Jahren)
Ab
ca. 18. bis 24. Monat, erste kleine Sätze
In manchen Wörtern werden Laute
ausgelassen oder durch für das Kind leichtere ersetzt.
Meilenstein:
Wortschatzspurt
Wortverknüpfungen (Zweiwortsätze). Die Wörter werden vom Kind
zum Teil vereinfacht oder abgewandelt.
Mögliche
Auffälligkeiten:
Setzt nach dem Erwerb der ersten 50 Wörter keine rasches
Wachstum des Wortschatzes ein, kann dies auch auf eine Verzögerung
hinweisen.
So können Sie Ihr Kind unterstützen:
Möglichst kurze
vollständige Sätze sprechen. Aussagesätze und W-Fragen bevorzugen. Gemeinsames
Spielen und Kommentieren der Tätigkeiten durch die Eltern. Fragen an die Kinder
stellen (z. B. "Was möchtest du?") Bilderbücher betrachten und Dinge
benennen.
Ab
ca. 3 Jahre
Hauptsätze können richtig gebildet
werden. Die Verben werden häufig richtig gebeugt. Die Kinder können alle Laute
einzeln richtig sprechen.
Mögliche Auffälligkeiten:
Kind
verharrt im Zwei- bis Dreiwortstadium.
So können Sie Ihr Kind
unterstützen:
Bringen Sie Ihr Kind in Erzählsituationen. Lesen Sie vor.
Erzählen Sie Ihrem Kind Geschichten. Verwenden Sie kurze Sätze. Verwenden Sie
nicht nur ich, sondern auch du in Ihren
Sätzen.
Ab
zirka 3 ½ Jahre
Die Kinder erweitern die Sätze und
können die Fälle richtig anwenden. (Verwechslungen von 3. und 4. Fall können
noch vorkommen.)
Warum-Fragen treten auf. Sie verstehen zweiteilige
Anweisungen. Die Aussprache der meisten Laute gelingt gut. Schwierige Wörter
können noch nicht immer richtig ausgesprochen werden.
Mögliche
Auffälligkeiten:
Die Verben werden nicht gebeugt und/oder stehen an der
falschen Stelle im Satz. Es werden keine Fälle angewendet (z. B. Die Katze
klettert auf der Baum.)
So können Sie Ihr Kind
unterstützen:
Spielen Sie Frage-Versteck-Spiele: "Wohin ist die Katze
gekrochen?" usw.
Wenden Sie selbst die Fälle korrekt
an.
Ab
3 bis 3 ½ Jahre
Die Kinder verwenden
Nebensätze.
Mögliche Auffälligkeiten:
Es werden nur Hauptsätze
gebildet. Das Verb steht an der falschen Stelle. Die Verben werden fast immer
falsch gebeugt.
So können Sie Ihr Kind unterstützen:
Lesen Sie
Märchen und Geschichten vor. Spielen Sie "Warum-Frage-Spiele" oder
"Wenn-Dann-Spiele".
Ab
zirka 3 ½ bis 4 Jahre
Die Kinder haben einen Wortschatz, mit
dessen Hilfe sie sich über viele Themen unterhalten können. Ihr
Sprachverständnis hat sich so weit entwickelt, dass sie alles verstehen können,
was mit ihrem Leben im Zusammenhang steht und ihrer Denkfähigkeit
entspricht.
Mögliche Auffälligkeiten:
Die Kinder verwenden sehr
wenige Wörter (immer wieder dieselben), um sich zu verständigen (eingeschränkter
Wortschatz) oder ihnen fällt es häufig schwer, die richtigen Wörter zu finden
(Wortfindungsstörungen). Sie verwenden häufig solche Wörter und Wendungen wie
"Dings" oder "das da" oder umschreiben das Wort (so ein Aufmachding). Sie können Aufträge nicht
ausführen und "vergessen" einen Teil oder führen es nicht in der geforderten
Reihenfolge aus.
So können Sie Ihr Kind unterstützen:
Nutzen
Sie alltägliche Gelegenheiten (Basteln, Tisch decken, Spiel usw.) um "Wortnetze"
mit dem Kind aufzubauen. Nutzen Sie Bücher oder auch das Fernsehen, um den
Wortschatz und die Begriffe Ihres Kindes zu erweitern und Assoziationen
herzustellen.
Nutzen Sie Spiele wie: Jeder sagt
etwas, dass man essen kann! Holen Sie sich bei Fachleuten
Rat.
Ab
4 - 5 Jahre
Das Kind kann sich ohne
Schwierigkeiten verständigen. Es spricht im Wesentlichen verständlich und
grammatisch korrekt. Es erweitert seinen Wortschatz ständig. Es kann mit anderen
Kindern und Erwachsenen diskutieren.
Mögliche
Auffälligkeiten:
Das Kind spricht grammatisch nicht richtig.
Der
Wortschatz ist extrem geringer als der der Altersgefährten.
Die Aussprache
ist unverständlich.
So können Sie Ihr Kind unterstützen:
Regen
Sie Ihr Kind zum Erzählen an. Lesen Sie vor. Holen Sie sich bei Fachleuten
Rat.
Quelle: Gesundheitsamt der Stadt
Leipzig; Autorin: Dr. phil. habil. Yvonne Adler
Was können Sie tun, um die Sprache
Ihres Kindes zu fördern?
Um Sprache erwerben zu können, bedarf
das Kind vielfältiger Anregungen aus der Umwelt.
Die wichtigste Form der
Sprachförderung ist die alltägliche Kommunikation mit unseren Kindern. Begleiten
Sie die Handlungen, die Sie mit den Kindern durchführen, mit Sprache (z. B. „Wir
decken jetzt den Tisch.“ „Ich lege den Baustein auf den Turm.“). Das Kind hat
Freude an gemeinsamen (Spiel-)Erlebnissen mit Ihnen. Gehen Sie auf die
Interessen und Vorlieben Ihres Kindes ein und sprechen Sie beim Spiel mit ihm,
aber lassen Sie vor allem auch das Kind zu Wort kommen. Reagieren Sie auf die
Neugier und die Fragen Ihrer Kinder.
1.
Lebensjahr
Im ersten Lebensjahr sind melodische
und rhythmische Spiele, wie z. B. Kniereiter, Kinderlieder, Spiellieder u. ä.
sehr wichtig. Die Kinder können so die Struktur und Gliederung der Sprache
besser wahrnehmen. Regen Sie Ihr Kind zu sprachlichen Äußerungen an und führen
Sie mit ihm „Lalldialoge“. Anfangs ist es wichtig, dass das Kind den Klang der
Sprache erfasst und Freude am Sprechen gewinnt. Das erreicht man durch
Kinderlieder oder durch Reime. Am besten ist es, wenn man sich dazu auch noch
bewegen kann, wie z. B. bei „Zehn kleine Zappelmänner“, „Hoppe hoppe Reiter“
oder dem Malspiel „Pünktchen, Pünktchen, Komma, Strich …“ und anderen
Spielen.
2.
Lebensjahr
Im zweiten Lebensjahr beginnt der
Aufbau des aktiven Wortschatzes. Das Kind achtet sehr auf die Sprache in seiner
Umwelt und hat schon bald entdeckt, dass Dinge einen Namen haben und dass diese
Namen symbolisch für diese Dinge stehen. Bezeichnen Sie die Dinge in Ihrer
Umgebung, mit denen Sie mit dem Kind gemeinsam umgehen und erklären Sie
kindgemäß, was Sie tun. Gehen Sie auf die Aufforderungen Ihres Kindes bei
Spaziergängen, im Zoo, zu Hause usw. ein und sagen Sie ihm, wie die Dinge, auf
die es zeigt, heißen. Später können Rate-spiele (Was ist unter dem Tuch, Nanu wo
ist der Schuh) oder auch Memory-Spiele Freude bereiten.
Wortschatzspurt
Nachdem die Kinder die ersten 50
Wörter aktiv benutzen können, beginnt ab zirka dem 2. Geburtstag der sogenannte
„Wortschatzspurt“. Das Kind nimmt in kürzester Zeit sehr viele neue Wörter in
seinen aktiven Wortschatz auf. Achten Sie darauf, dass das Kind nicht nur den
Namen des Dinges benutzen kann, sondern auch den Begriff versteht und ihn mit
anderen in einen Zusammenhang bringen kann. Bauen Sie Wissensnetze aus. Spiele,
die wie „Tabu“ funktionieren (an das Alter der Kinder angepasst), „Ich sehe was,
was Du nicht siehst“ oder ähnliche können ebenso zur Begriffsbildung und
Vernetzung dienen, wie das Spiel mit dem Bauernhof, der Puppenstube oder das
gemeinsame Basteln, Backen und das Erledigen von gemeinsamen Aufgaben. Beim
Stellen kleiner Aufträge lernt das Kind, genau auf das Gesagte zu achten und Sie
können die Entwicklung seines Sprachverständnisses beobachten.
Vorlesen, Erzählen und
Spielen
Lesen Sie vom ersten Lebensjahr an
Ihrem Kind etwas vor. Bilder-, Märchen- oder andere Kinderbücher eröffnen eine
Welt voll Phantasie und Sprachreichtum. Kinder, die Freude an Büchern und
Geschichten haben, lernen später gern Lesen!
Regen Sie die Kinder an,
die Illustrationen zu betrachten, diese unterstützen das Verstehen des Textes.
Ermuntern Sie Ihr Kind, Fragen zu stellen und sprechen Sie mit ihm über das
Gelesene. Lassen Sie sich von den Kindern deren Lieblingsbuch „vorlesen“. Sie
werden erleben, was für das Kind wichtig ist, was es bereits verstanden hat und
wie gut es mit der Sprache umgehen kann.
Sprechen Sie mit den Kindern in
kurzen prägnanten und ihrem Niveau angepassten Sätzen. Spätestens ab dem dritten
Geburtstag sollten Sie nicht nur die dritte Person (die Mama, die Anna), sondern
auch „ich“, „du“ und „wir“ verwenden. Ihr Kind wird jetzt auch selbst dazu
übergehen, sich mit „ich“ zu bezeichnen.
Nutzen Sie Bücher, Reime,
Abzählverse und das Spiel mit Ihrem Kind, um mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Spielen und albern Sie mit der Sprache. Lassen Sie Ihr Kind entdecken, wie
Reimen funktioniert und wie unsere Sprache und unsere Schriftsprache aufgebaut
sind. Singen Sie Lieder wie „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ oder erfinden Sie
gemeinsam Quatschgeschichten. Ihrem Kind wird so die Freude am Sprechen das
Entdecken der Sprache erleichtern.
Jegliche Spiele, bei denen die Kinder
oder Sie miteinander ins Gespräch kommen, bringen das Kind sprachlich voran. So
müssen sie sich beim Rollenspiel über ihre Rollen einig werden und in ihrer
Rolle sprechen. Beim Regelspiel müssen sie die Regeln verstehen und diese an
andere weitergeben können.
Ein Wort zum Fernsehen: Weder Fernseher noch
Computer ersetzen die gemeinsame Zeit mit Eltern, Geschwistern und Freunden. Die
Fernsehdauer ist vom Alter des Kindes abhängig und sollte bei Vorschulkindern in
der Regel nicht länger als eine halbe Stunde pro Tag betragen. Wählen Sie
gemeinsam mit Ihrem Kind altersgerechte Sendungen aus und fragen Sie nach, warum
Ihr Kind eine bestimmte Sendung sehen möchte. Begleiten Sie es auch bei seinem
Fernseherlebnis, erkundigen Sie sich z. B., was seine Lieblingsfigur in der
Sendung heute erlebt hat.
Für die Sprachförderung können auch
vielfältige Situationen im Alltag genutzt werden. Spaziergänge, Besuche im
Puppentheater, Spiele, Basteln, gemeinsame Erlebnisse, die man anderen wieder
erzählen kann, bieten Gelegenheit, die Kinder zu Wort kommen zu
lassen.
Tipp: Hören Sie genau
hin, was Ihr Kind Ihnen sagen möchte. Zeigen Sie ihm, dass Sie es als
Gesprächspartner ernst nehmen und wecken Sie seine Lust am
Sprechen!
Ihr Gesundheitsamt
Vogtlandkreis
Weiterführende
Links:
Deutscher
Bundesverband für Logopädie e.V. >> www.dbl-ev.de
Deutsche Gesellschaft
für Sprachheilpädagogik >> www.dgs-ev.de
Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung >> http://www.kindergesundheit-info.de/themen/entwicklung/0-12-monate/sprechen-verstehen/
Familienhandbuch des
Staatsinstitutes für Frühpädagogik >> www.familienhandbuch.de
Gesund aufwachsen,
Handlungsfeld Sprachförderung >> http://www.gesunde.sachsen.de/281.html
Landeskompetenzzentrum
für Sprachförderung in Sachsen >> http://www.lakos-sachsen.de/
Fernsehen mit
Kinderaugen >> http://www.flimmo.de/
Miteinander Lesen–
Miteinander Sprechen >> https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/12440
Tipps zum Umgang mit
Mehrsprachigkeit in der Familie >> http://www.kinderaerztliche-praxis.de/merkblaetter.html
Quelle: Gesundheitsamt
der Stadt Leipzig